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Familie

Nachehelicher Unterhalt

Mit der Unterhaltsreform zum 01.01.2008 wurde der Grundsatz der Eigenverantwortung der Ehegatten noch mehr in den Vordergrund gestellt. Jeder Ehegatte sollte nach der Scheidung grundsätzlich verpflichtet sein, sich selbst zu versorgen. Unterhaltsansprüche nach der Scheidung sollen nicht zur Regel, sondern zur Ausnahme werden. Allerdings ist weiterhin die wirtschaftliche Mitverantwortung des Ehegatten mit dem höheren Einkommen zu berücksichtigen.

Dies ist in § 1569 BGB normiert:

„Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Ist er hierzu außerstande, hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt nur nach den folgenden (§§ 1570 ff. BGB) Vorschriften.“

Folgende Unterhaltstatbestände kommen in Betracht:

  • Betreuungsunterhalt (Betreuung minderjähriger Kinder) gemäß § 1570 BGB
  • Unterhalt wegen Alters gemäß § 1571 BGB
  • Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen gemäß § 1572 BGB
  • Erwerbslosenunterhalt gemäß § 1573 Abs. 1 BGB
  • Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB
  • Wegfall einer nicht nachhaltig gesicherten Tätigkeit gemäß § 1573 Abs. 4 BGB
  • Ausbildungsunterhalt gemäß § 1575 BGB
  • Billigkeitsunterhalt gemäß § 1576 BGB

Einsatzzeitpunkte

Es ist zu beachten, dass für die meisten Unterhaltstatbestände Einsatzzeitpunkte gelten, was bedeutet, dass ein Unterhaltsanspruch nur gegeben ist, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Scheidung bzw. nach Wegfall eines anderen Unterhaltstatbestandes vorliegen. Es muss deshalb mit wenigen Ausnahmen stets eine lückenlose Unterhaltskette gegeben sein.

Erwerbstätigkeit

Soweit vom Unterhaltsberechtigten die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erwartet werden kann, ist § 1574 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen. Danach obliegt es dem geschiedenen Ehegatten, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben. Gemäß § 1374 Abs. 2 BGB ist angemessen eine Erwerbstätigkeit, die der Ausbildung, den Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entspricht, soweit eine solche Tätigkeit nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig wäre. Der unterhaltsberechtigte Ehegatte muss deshalb nicht jede, sondern nur eine angemessene Erwerbstätigkeit aufnehmen. Nach der Unterhaltsreform zum 01.01.2008, mit der die Eigenverantwortlichkeit noch mehr in den Vordergrund gestellt wurde, wird sich der Unterhaltsberechtigte jedoch auch bei ehelichen Lebensverhältnissen mit einem höheren Lebensstandard nicht darauf berufen können, nicht in einen früher ausgeübten Beruf zurückkehren zu müssen. Allerdings kann die nacheheliche Solidarität – lange Ehedauer, starke wirtschaftliche Verflechtung etc. – im Rahmen der Gesamtabwägung zu einem Vertrauensschutz führen, der einem unangemessenen sozialen Abstieg entgegensteht.

Wie lange steht dem Ehegatten, bei dem die minderjährigen Kinder ihren Lebensmittelpunkt haben, ein Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB zu?

Betreut der Ehegatte ein gemeinschaftliches minderjähriges Kind, so steht ihm gemäß § 1570 Abs. 1 BGB für mindestens 3 Jahre nach der Geburt des Kindes ein (Basis-) Unterhaltsanspruch gegen den anderen Ehegatten zu. Während dieser 3 Jahre trifft den betreuenden Ehegatten keine Erwerbsobliegenheit. Erzielt er dennoch Einkünfte, so sind diese im Rahmen einer Billigkeitsabwägung nicht bzw. nur teilweise bei der Unterhaltsermittlung zu berücksichtigen.

Der Betreuungsunterhalt kann sich darüber hinaus aus kind- und/oder elternbezogenen Gründen verlängern. Es sind bei der Abwägung, ob eine Verlängerung des Unterhaltsanspruches über das dritte Lebensjahr des Kindes aus Billigkeitsgründen in Betracht kommt, die Belange des Kindes und die bestehenden Betreuungsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Dabei kommt einer persönlichen Betreuung des Kindes durch den betreffenden Ehegatten grundsätzlich kein Vorrang gegenüber der Fremdbetreuung des Kindes in einer Kindertagesstätte zu. Allerdings hat der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen betont, dass vom Gesetzgeber mit der Unterhaltsreform kein abrupter Wechsel von der Kinderbetreuung zur Vollzeittätigkeit gewollt sei.

Ab dem dritten Lebensjahr des Kindes besteht eine grundsätzliche Erwerbsobliegenheit. Dabei ist der Umfang der Erwerbsobliegenheit orientiert am Einzelfall individuell zu ermitteln.

Dennoch muss der betreuende Ehegatte die Gründe für eine Verlängerung des Unterhaltes über das dritte Lebensjahr hinaus darlegen und beweisen. Folgende Gründe sind bei dieser Prüfung zu berücksichtigen:

Kindbezogene Gründe

  • Alter des Kindes / der Kinder
  • Anzahl der Kinder
  • bisher durchgeführte Betreuung des Kindes / der Kinder
  • Aktivitäten des Kindes / der Kinder, die der Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils entgegenstehen
  • vorhandene Betreuungsmöglichkeiten, welche zumutbar für das Kind, verlässlich und finanziell zumutbar sein müssen, was in der Regel bei staatlichen oder kirchlichen Einrichtungen der Fall ist
  • Erkrankungen oder Behinderungen des Kindes / der Kinder
  • sonstige in der Person des Kindes / der Kinder liegende Gründe, die eine persönliche Betreuung durch einen Elternteil erfordern

Elternbezogene Gründe

  • bisher gelebtes Betreuungsmodell
  • gemeinsame von einer möglichen Trennung / Scheidung unabhängige Planung der Betreuung des gemeinschaftlichen Kindes / der gemeinschaftlichen Kinder
  • Überbelastung des allein erziehenden Elternteils, insbesondere durch zahlreiche Aktivitäten des Kindes

Anders als bei der Rechtslage vor dem 01.01.2008 – damals konnte man auf der Grundlage des von der Rechtsprechung entwickelten Altersphasenmodells den Umfang der Erwerbsobliegenheit noch anhand des Alters der Kindes/der Kinder für den Regelfall bestimmen – kommt es heute grundsätzlich auf die Umstände des Einzelfalls an, sodass kaum eine sichere Prognose möglich ist. Dementsprechend umfangreich und doch aufgrund der jeweiligen Einzelfallrechtsprechung auf den konkret zu beurteilenden Sachverhalt nicht übertragbar ist die seit der Unterhaltsrechtsreform in dieser Frage ergangene Rechtsprechung.

Ist der nacheheliche Unterhalt dauerhaft zu zahlen oder bestehen Möglichkeiten der Befristung oder Beschränkung des nachehelichen Unterhaltes?

Der nacheheliche Unterhaltsanspruch entfällt bei einer Wiederverheiratung des unterhaltsberechtigten Ehegatten (§ 1586 BGB).

Unter bestimmten Voraussetzungen kommt es zu einer Verwirkung und damit auch zu einem Wegfall des Unterhaltsanspruches bzw. es besteht die Möglichkeit, den Unterhalt herabzusetzen oder auch zeitlich zu begrenzen. Diese Tatbestände für eine Versagung, Herabsetzung oder zeitliche Befristung des Unterhaltes – dies betrifft sämtliche Unterhaltstatbestände – sind in § 1579 Nr. 1 bis 8 BGB aufgeführt. An erster Stelle ist hier der Tatbestand der verfestigten Lebensgemeinschaft zu nennen. Lebt der Unterhaltsberechtigte mit einem neuen Partner in einer verfestigten Lebensgemeinschaft, so dürfte eine weitere Verpflichtung zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt für den Unterhaltsschuldner in der Regel grob unbillig sein. Von einer verfestigten Lebensgemeinschaft kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn die Lebensgemeinschaft mit dem neuen Partner über einen Zeitraum von 2-3 Jahren andauert. Kommen außer dem Zeitmoment auch noch andere Umstände – aus der neuen Beziehung geht ein Kind hervor, gemeinsamer Erwerb einer Immobilie – hinzu, so kann ggf. auch zu einem früheren Zeitpunkt von einer Verfestigung ausgegangen werden.

Auch im Bereich des § 1579 BGB sind jedoch im Rahmen der Billigkeitsabwägung die Belange eines vom Berechtigten zu betreuenden gemeinschaftlichen Kindes zu berücksichtigen, was bei der Betreuung von sehr kleinen Kindern im Einzelfall dazu führen kann, dass der Unterhalt nicht sofort entfällt, sondern der Höhe nach zu begrenzen ist und erst nach einer bestimmten Zeit (Befristung) dann gänzlich in Wegfall gerät.

Ist eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts möglich?

Eine Begrenzung auf den angemessenen Lebensbedarf des nachehelichen Unterhaltes ist gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB dann vorzunehmen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruches (Halbteilungsgrundsatz, Unterhalt aufgrund einer konkreten Bedarfsberechnung bei sehr guten Einkommensverhältnissen) auch unter Wahrung der Belange der zu betreuenden Kinder unbillig wäre.

Im Gesetz ist allerdings nicht geregelt, wie hoch dieser angemessene Bedarf ist. Nach der Rechtsprechung orientiert sich der angemessene Bedarf an der Lebensstellung des unterhaltsberechtigten Ehegatten vor der Ehe bzw. ohne Ehe. Es ist deshalb für die Ermittlung des angemessenen Bedarfes das voreheliche Einkommen zu ermitteln und dann entsprechend fortzuschreiben. Der angemessene Lebensbedarf definiert sich deshalb aus demjenigen Einkommen, welches bei nicht unterbrochener Fortführung einer vorehelichen bzw. vor Unterbrechung wegen Familienarbeit ausgeübten Tätigkeit aktuell erzielt werden könnte.

Eine Begrenzung des nachehelichen Unterhaltes kommt für alle Unterhaltstatbestände in Betracht, also auch für einen Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB.

Eine Begrenzung des Unterhaltes wird man in der Regel jedoch nicht gleich mit rechtskräftiger Scheidung der Ehe vornehmen. Vielmehr wird dem unterhaltsberechtigten Ehegatten u.a. in Abhängigkeit von der Ehedauer bzw. der Gestaltung der Ehe zunächst für eine Übergangszeit der volle, an den ehelichen Lebensverhältnissen bemessene Unterhalt zuerkannt werden, um dann den Unterhalt auf den angemessenen Lebensunterhalt zurückzuführen. Der unterhaltsberechtigte Ehegatte erhält nach dieser Übergangszeit dann – eine entsprechende Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Ehegatten vorausgesetzt – nur noch Unterhalt in Höhe der Differenz zwischen seinem angemessenen Lebensbedarf (hypothetisches Einkommen ohne die ehebedingten Nachteile in der Erwerbsbiographie) und dem tatsächlich erzielten Einkommen. Dabei ist jedoch stets zu prüfen, ob der unterhaltsberechtigte Ehegatte seiner Erwerbsobliegenheit nachkommt.

Ist eine Befristung des nachehelichen Unterhalts möglich?

Eine Befristung kann gemäß § 1578 b Abs. 2 BGB erfolgen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines vom Unterhaltsberechtigten zu betreuenden Kindes grob unbillig wäre.

Liegen ehebedingte Nachteile, also Nachteile des unterhaltsberechtigten Ehegatten insbesondere in seiner Erwerbsbiographie vor, die der unterhaltsberechtigte auch nicht mehr ausgleichen kann, scheidet in der Regel eine Befristung des Unterhaltes aus. Es besteht dann nur die Möglichkeit, den Unterhalt – ggf. nach einer gewissen Übergangszeit – auf den angemessenen Bedarf zu begrenzen. Ein ehebedingter Nachteil in der Erwerbsbiographie kann sich z.B. daraus ergeben, dass ein Ehegatte bedingt durch die Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes sein Studium abgebrochen hat oder aber einen gut dotierten Job aufgegeben hat und nun über ein Einkommen verfügt, das unter dem Einkommen liegt, welches er erzielen würde, wenn es in der Ehe nicht zu einer Aufgabe der beruflichen Tätigkeit z.B. aufgrund der Betreuung gemeinschaftlicher Kinder gekommen wäre.

Eine Befristung des Unterhaltes scheidet jedoch trotz fehlender ehebedingter Nachteile auch dann aus, wenn aus dem Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität die Gewährung eines dauerhaften Unterhaltes geboten ist. Der Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität soll vor allem einen angemessenen Ausgleich der in der Ehe gelebten Rollenverteilung und der damit verbundenen in der Ehe erbrachten besonderen Lebensleistung des unterhaltsberechtigten Ehegatten erreichen. Bei der Billigkeitsabwägung sind deshalb insbesondere folgende Umstände zu berücksichtigen:

  • verstärkte wirtschaftliche Verflechtung der Ehegatten beispielsweise durch Verlassen des Heimatlandes zum Zwecke der Führung der Ehe in Deutschland
  • Alter und Gesundheitszustand der Eheleute
  • besondere Leistungen für den Ehepartner
  • Zurückstellen eigener beruflicher Aufstiegschancen
  • schwere Erkrankung in der Ehe, welche ohne die Ehe nicht aufgetreten wäre

Für die Befristung des nachehelichen Unterhaltes orientiert man sich häufig – es kommen jedoch auch andere Kriterien in Betracht – an der Ehedauer. Als Befristungszeitraum wird oft eine Zeitdauer zwischen 1/4 und rund 1/3 der Ehedauer angesetzt. Die Entscheidung hat sich jedoch stets am Einzelfall zu orientieren.

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