Persönlich, kompetent und umfassend –
unser Rat für all Ihre rechtlichen Fragen.

Seit 1981 sind wir in den verschiedensten Lebenslagen für Sie da.
Unser engagiertes Team berät Sie durch umfangreiche fachliche
Schwerpunkte und findet für jedes Ihrer rechtlichen
Probleme eine Lösung.

ARBEITEN

Ist ein nochmaliges betriebliches Eingliederungsmanagement notwendig, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres erneut länger als sechs Wochen durchgängig oder mit Unterbrechungen arbeitsunfähig erkrankt war?

Mit dieser Frage hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 18.11.2021, 2 AZR 138/21 beschäftigt.

Der Kläger in diesem Verfahren hatte viele krankheitsbedingte Fehlzeiten. Im Jahr März 2019 gab es ein Gespräch zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM). Im Erhebungsbogen, den der Kläger unterzeichnet hatte, war angegeben worden, dass kein zusätzlicher Sachverständiger wie z.B. ein Betriebsarzt mit eingebunden werden solle. Nach dem Gespräch war der Kläger erneut wiederholt arbeitsunfähig – bis Februar 2020 an insgesamt 79 Tagen. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement war nicht nochmals durchgeführt worden.

Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage, die in den Vorinstanzen erfolgreich war. Die Revision des Arbeitgebers zum BAG blieb erfolglos. Das BAG bestätigte die Sicht des LAG, wonach die Kündigung sozial ungerechtfertigt war. Die Arbeitgeberin habe nicht dargelegt, dass durch ein weiteres bEM keine milderen Mittel als die Kündigung des Arbeitsverhältnisses hätten erarbeitet werden können.

Das BAG hat ausgeführt, dass die Arbeitgeberin nach § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet gewesen sei, ein erneutes bEM in die Wege zu leiten. Dies sei auch dann erforderlich, wenn seit dem ersten bEM kein Jahr vergangen sei. Denn Ziel des bEM sei es, die Ursachen der bisherigen Ausfallzeiten festzustellen und zu erarbeiten, ob Möglichkeiten gegeben sind, eine bestehende Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu fördern.

Praxistipp:

Krankheitsbedingte Kündigungen sind für einen Arbeitgeber immer mit einem hohen Prozessrisiko verbunden. Der Arbeitgeber trägt die Beweislast für die sog. negative Prognose, d.h. im Zeitpunkt der Kündigung muss feststehen, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht erfüllen kann.

Der Arbeitgeber ist nach § 167 Abs. 2 SGB IX verpflichtet, bei einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als sechs Wochen / Jahr ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen. Dieses ist zwar nicht Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Kündigung. Aber der Arbeitgeber muss im Kündigungsschutzprozess darlegen und beweisen, dass es keine milderen Mittel zur Kündigung gab. Dieser Beweis wird erschwert, wenn ein bEM nicht durchgeführt worden ist.

Ist der Arbeitnehmer nach einem bEM-Gespräch erneut dauerhaft oder wiederholt arbeitsunfähig, so ist vor Ausspruch einer Kündigung unbedingt zu prüfen, ob ein weiteres bEM-Gespräch erforderlich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die Nutzlosigkeit eines solchen weiteren bEM trägt. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, weshalb weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung und Veränderung möglich war und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können. Darüber hinaus muss er dartun, dass künftige Fehlzeiten auch nicht durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger in relevantem Umfang hätten vermieden werden können.

Diesen Vortrag kann der Arbeitgeber häufig nicht erbringen.

Lassen Sie sich daher beraten, bevor Sie einen Arbeitnehmer krankheitsbedingt kündigen. Wir prüfen für Sie, ob die Voraussetzungen erfüllt sind oder welche Maßnahmen zur Reduzierung des Prozessrisikos noch getroffen werden können. Sind Sie Arbeitnehmer und ist Ihnen eine Kündigung wegen Krankheit zugegangen? Dann sollten sich ebenfalls anwaltlich beraten lassen. Erfahrungsgemäß sind viele krankheitsbedingte Kündigungen unwirksam.